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CESAR DOMELA
COMPOSITION


Ernst Krenek
Mechanisiering der Künste

Het streven der hedendaagsche schilderkunst door zakelijkheid de fotografie te benaderen, komt eveneens tot uiting in de grootere belangstelling der tegenwoordige musici voor de pogingen, om met mechanische instrumenten muziek weer te geven. Gedeeltelijk daartoe opgewekt en in ieder geval samengaand met de exactheid van de uit Amerika komende Jazzmuziek. Het komt ons voor, dat het echter niet om een principiëele verandering der musikale beginselen gaat, maar om interessante pogingen onder invloed der moderne techniek.
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L'aspiration de la peinture contemporaine d'approcher la photographie par l'objectivité se manifeste à son tour par l'intérêt que les musiciens modernes marquent pour les tentatives de repreduction de la musique au moyen d'instruments mécaniques. Il est stimulé en partie par la musique de jazz américaine et, en tous cas, marche de pair avec l'exactitude de celle-ci. Il ne s'agit pas, selon nous, d'une modification fondamentale des principes de la musique, mais de tentatives intéressantes sous l'influence de la technique moderne.
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The aim of the modern art of painting to compute by summariness the photography, expresses itself also in the greater interest of the present musicians for the efforts to interprete music by mechanical instruments. Partly inspired and in any case cooperating with the exactitude of the Jazzmusic introduced from America.
It seems to us, that it is not meant to change musical principles fundamentally, but to make interesting trials under the influence of modern technic.

Die lebhafte Erörterung der Frage ‘Malerei und Photographie’ in ‘i 10’ veranlasst mich, zu einer Grundtendenz Stellung zu nehmen, die sich in diesem Meinungsaustausch zu manifestieren scheint.

Ohne dass ich mich im einzelnen zu dem genannten Problem äussern könnte, da ich mich dazu nicht berufen fühle, möchte ich doch auf etwas Prinzipielles hinweisen, das hier zum Ausdruck zu kommen scheint und an mancherlei ähnlich gerichtete Gedan-

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kengänge in der zeitgenössischen Musik erinnert.

Wenn man als Laie und Liebhaber der bildenden Kunst hört, dass das Problem des Vorranges zwischen Malerei und Photographie diskutiert wird, so fragt man sich zunächst, worin sich die beiden Arten von bildlicher Darstellung unterscheiden, um sich überhaupt darüber klar zu werden, in welcher Beziehung man sie vergleichen kann. Ich bitte nochmals diesen meinen Gedankengang als einen ganz laienhaften anzusehen, den ich nur deshalb niederschreibe, damit man sieht, wie ich von dieser mir fremden Frage der bildenden Kunst auf die mir naheliegenden des Theaters und der Musik komme. Bei der Malerei betätigt sich die Hand des Künstlers unmittelbar auf der Fläche, die sich später als vollendetes Bild dem Auge des Beschauers darbietet. Bei der Photographie entsteht das, was ich nachher zu sehen bekomme, das Bild, im wesentlichen auf mechanischen Weg, durch die chemische Disposition der Platte, bestimmte Lichteindrücke in besonderer Form aufzunehmen und wiederzugeben.

Die Hand des Künstlers hat sich auf dem mir später präsentierten Bild nur in ganz bescheidenem Masse, vielleicht durch Retuschen oder dgl. betätigt, und sein künstlerischer Schöpferwille nur in der Auswahl oder Anordnung der Gegenstände, deren Bildern er seine lichtempfindliche Platte aussetzen will. Auf dem fertigen Bild ist also von seiner Tätigkeit direkt nichts wahrzunehmen, im Gegensatz zum Gemälde, wo ich das ‘Handwerk’ des Künstlers, im vollen Wortsinn, bis ins Detail vor mir sehen kann. Während nun in früherer Zeit die Photographie nur das Ziel hatte, eine täuschende Ähnlichkeit mit dem Naturbilde zu erreichen und ihre Mittel dahin zu vervollkommnen strebte, scheint sie nunmehr durch eine künstlerisch eigenartige und ‘künstliche’ Anordnung der aufzunehmenden Gegenstände sich auf das Gebiet der Malerei ausdehnen zu wollen, indem diese, schon von jeher in Bezug auf die Art der Wiedergabe von Eindrücken der Aussenwelt ganz frei, ja mitunter von solchen jedenfalls in direkt nachweisbarer Form ganz unabhängig war, Der Vorgang ist also so, dass die Photographie durch die Einführung des Momentes der künstlerischen Willkür bei Auswahl und Anordnung ihrer Gegenstände sich der Malerei nähert. Andrerseits beobachtet man in der Malerei seit den ersten kindischen oder spielerisch-tendenziösen Versuchen der Dadaisten (mit Klebebildern und dgl.) eine Annäherung an die äusseren Formen des photographischen Bildes, indem der Maler vielfach durch glatten und sachlichen Vortrag das eigentlich Charakteristische seines ‘Hand’werks, gewissermassen seine Handschrift, zu verbergen oder wenigstens als unwesentlich zurücktreten zu lassen versucht. Er strebt also wenigstens in der äusseren Form seines Werkes das Aussehen des mechanisch erzeugten Bildes an.

(Man verzeihe diese Ausführungen eines Nichtfachmannes, die nur auf dem Wege unbefangener Beobachtung gewonnen und vielleicht fachtechnisch ganz unzutreffend sind.)

Zur selben Zeit, wo sich diese Vorgänge in der bildenden Kunst abspielen, hört man immer wieder von mechanischer Musik, vom Film als Mittel oder beinahe als Ersatz dramatischer Darstellung, von Versuchen, den Ablauf von Filmen mit dazugehörender Musik streng synchron zu regulieren, und dergleichen mehr. Hier ist das Bestreben offenkundig, zunächst einmal die Wiedergabe von Musik unabhängig zu machen von der Willkür des Interpreten. Dieses Bestreben ist schon älteren Datums, und hat sich bald entwickelt, nachdem mechanische Musikinstrumente, zunächst wohl zum Zweck der Zugänglichmachung grösserer oder schwer aufzuführender Musikstücke an weitere Kreise, erfunden worden waren. Der mechanische Musikapparat vermag eine einmal festgelegte Wiedergabe eines Musikwerkes an

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LAJOS VON EBNETH
COMPOSITIE


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jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit zu wiederholen. Der mechanische, ‘seelenlos’ genannte Charakter dieser Wiedergabe, der durch den maschinellen Betrieb solcher Musikapparate unvermeidlich war, haftete dieser Art Musik stets als Mangel an. In jüngster Zeit ist man nun auf die Idee gekommen, direkt für mechanische Instrumente zu komponieren. Sollte dieser Gedanke überhaupt einen Sinn haben, so müsste dieser Sinn darin liegen, dass in der mechanischen Art der Wiedergabe selbst nicht nur ein Unterschied gegen die natürliche, sondern sogar ein Reiz zur produktiven Ausnützung gefunden wurde. Denn es wäre offenbar zwecklos, ein Musikstück für mechanisches Klavier zu komponieren, wenn es nicht anders klingen sollte, als wenn es von einem Pianisten in den Aufnahmeapparat des mechanischen Systems gespielt worden wäre. (Der Reiz, der darin liegt, dass man auf dem mechanischen Instrument beliebig schnell spielen kann, ist zu gering, um eine Methode zu begründen.) Es wird augenscheinlich gerade das, was bisher als Mangel empfunden wurde, der maschinelle Charakter der Wiedergabe, positiv gewertet und zum Kompositionsprinzip erhoben. Dieser maschinelle Charakter liegt in einer ‘unmenschlichen’ Klarheit, Exaktheit und Präzision des akustischen Verlaufs.

Dass in dieser ein neuer, bisher nicht gekannter Reiz gefunden wird, ist nicht so erstaunlich. Diese Art motorischen Charakters finden wir schon in der unerbittlichen Rhythmik der Jazzmusik. Hier ist durch innere Disposition der Spieler und unermüdliche Übung bei den berühmten amerikanischen Kapellen ein Grad von geradezu phänomenaler und beispielloser Präzision erreicht, der allerdings schon durch die Struktur dieser Musik, die rhythmisch unsäglich einfach und zugleich beispiellos kompliziert ist, gefordert und nahegelegt wird. Ganz gewiss ist es dem weltbeherrschenden Einfluss dieser Musik zuzuschreiben, dass sich der Sinn für ihr aus dem Musikgefühl aller Exoten stammendes stereotypes, maschinell anmutendes Stampfen auf unsere ganze Art des Hörens ausgebreitet hat, aber sie hätte nicht diese Geltung erreicht, wären wir nicht zu ihrer Aufnahme durch eigene Entwicklung disponiert. Wir sehen also auch in diesen Bestrebungen, ähnlich wie in der neuen, photographie-ähnlichen Malweise die Tendenz, das menschlich-willkürliche Moment in der zu Erscheinung kommenden Oberfläche des Kunstwerks (dort äussere Bildfläche - hier Klangbild der Wiedergabe) zugunsten eines mechanisch Erzeugten oder wenigstens so Scheinenden zurücktreten zu lassen.

Der enge Zusammenhang der Musik mit dem Theater und die Erfahrungstatsache, dass künstlerische Tendenzen meist auf allen Gebieten zugleich sich irgendwie äussern, hat ähnliche Bestrebungen auch in der dramatischen Kunst gezeitigt. Man hat Apparate ersonnen, die es ermöglichen, einen Film mit der dazugehörigen Musik synchron verlaufen zu lassen, d.h. zu garantieren, dass das zu einem bestimmten Moment des Films gehörige musikalische Element gleichzeitig mit jenem hörbar wird. Obgleich diese Apparate auch eine Regulierung der Ablaufsgeschwindigkeit des Films gestatten, so liegt es auf der Hand, dass die Willkür des musikalischen Interpreten durch die Möglichkeiten der Filmgeschwindigkeit Grenzen gesetzt sind, und ihren inneren Sinn werden diese Apparate erst haben, wenn die Musik schon in den genau festgelegten Massen des optischen Ablaufs komponiert ist, was wiederum eine gewisse ‘Mechanisierung’ der Musik nach sich zieht, wie überhaupt diese Art Mechanisierung sich immer von selbst ergeben wird, wo mehrere Verläufe gleichsinnig gemacht werden sollen.

Man hat versucht, das Theater selbst zu mechanisieren, indem man zuerst die Menschen in präzise, puppenhafte Bewegungen zwang, dann konstruktivistische Dekorationen ersann die auf ihre maschinelle Beschaffenheit schon durch ihr Aussehen hinwiesen, und schliesslich sogar versuchte, die Menschen zum Teil durch Automaten zu ersetzen. Hier liegt ein uraltes Vorbild mechanisierten Theaters vor: das Marionettenspiel. Das Wesen der Marionette ist halbmechanisch, indem zwar die Willkür des Spielers, beziehungsweise die des Konstrukteurs der Puppe an sich keine Grenze hat, sich aber nur innerhalb der durch die Mechanik festgesetzten Linien auswirken kann. Der Eindruck des Puppenspiels ist daher

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auch nicht der einer mechanischen Wiedergabe, in dem oben ausgeführten Sinn höchster Exaktheit und Präzision, sondern im Gegenteil, von äusserster Lebendigkeit willkürlicher Ausdruckskraft. Der besondere Reiz liegt aber darin, dass diese Überlebendigkeit von einem an sich toten Material ausgeht, ohne dass die wirkliche Illusion eintritt, die Puppen wären lebende Menschen.

Die Tendenz zu einer Mechanisierung der Künste ist also da, sie zu leugnen, ist unmöglich, sie zu tadeln, wäre töricht, sie durch prinzipielle Einwendungen zu bekämpfen, sinnlos, weil man psychische Dispositionen nicht ausrotten kann. Gut ist es aber, sich über die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Bewegung klar zu werden. Ich bezweifle, dass die Musikerzeugung durch mechanische Instrumente eine bedeutende Stellung in der Ausübung der Musik einnehmen kann, will sie dem primitiven Trieb des musikalischen Menschen, an ihr aktiv beteiligt zu sein, keinen Raum lässt. Ausserdem wirkt die mechanische Musik beim Anhören auf die Dauer stumpf und langweilig.

Wenn eine Jazzband komplizierteste Polyrhytmik mit unheimlicher Exaktheit ausführt, so entspricht das zunächst dem lebendigen Zweck des Tanzes, der eine rhytmisch nicht schwankende Musikbegleitung erfordert, und dann hat es für den Hörer eben den artistischen Reiz, dass es ‘wie mechanisch’ klingt, und doch von Menschen ausgeführt wird. Beim Apparat fällt dieser Moment des Erstaunens weg, weil man von ihm ja nichts anderes erwartet als Präzisionsarbeit. Die mechanischen Musikinstrumente werden ihren Hauptwert doch wohl als Ersatz lebendiger Darbietung an Orten, wo solche nicht möglich ist, behalten. Wenn man sich auf diesem Gebiet bemühen würde. Originalkompositionen zu schaffen, um den Konsum grauenhafter und geschmacklos aufgemachter Kitschware einzudämmen, die auf demselben Niveau liegt wie der Warenhausschund, mit dem die Spekulanten der Kleinstädte das gutgläubige, flache Land überschwemmen, so wäre das im höchsten Grade zu begrüssen. Freilich dürfte ein Komponist bei einem solchen Unternehmen niemals den Zweck ausser Acht lassen, für den er schreibt: musikalische Begleitung der Wirtshausunterhal-tungen einfachster Leute.

Der Mechanisierung des Theaters widersetzt sich das innere Wesen dieser Kunstgattung seiner Natur nach. Das Theater beruht auf der Möglichkeit und dem Trieb des Menschen, sich selbst ausdruckshaft darzustellen. Jede aus Geschmacksgründen der Zeit wünschenswerte und im dargelegten Sinne an mechanischen Betrieb erinnernde Exaktheit, Präzision oder rhytmische Gebundenheit dieser Selbstdarstellung ist nur stilistische Nuance ihres unwandelbaren Wesens und liegt als solche ganz im Bereich der willkürlichen Ausdrucksmöglichkeiten des spielenden Menschen, ohne Zuhilfenahme mechanischer Hilfsmittel.

Wir sehen demnach, dass die Tendenz zur Mechanisierung der Musik wohl einem Bedürfnis der Zeit nach Klarheit, Prägnanz, Sauberkeit, Kühle und Sachlichkeit entspricht, und in ihren konsequenten Auswirkungen, in der direkten Komposition für Musikmaschinen, zu interessanten und sogar zweckmässigen Einzelresultaten führen kann. Wenn man aber von der Eroberung eines neuen Gebietes für die Musik, von einer umstürzenden grundlegenden Änderung aller musikalischen Prinzipien in diesem Zusammenhang spricht, so überschätzt man wohl die Bedeutung einer von der Zeit gebotenen Gelegenheit zur Ausnützung technischer Möglichkeiten.