Jean Lenauer:
Verschwörung gegen Maurice Tourneur
Seit einigen Wochen läuft ein prachtvoller französischer Film ‘L'Equipage’ nach dem gleichnamigen Roman von J. Kessel in einem der Pariser Boulevardskinos. Sonderbarerweise ist der Regisseur nicht genannt. Das sind wohl Dinge, die heut zutage überraschen müssen, denn seit einiger Zeit wird darauf im allgemeinen doch geachtet.
Diese Angelegenheit ist so interessant und ausserdem sehr wichtig, da mit ihr ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird, dass man davon deutlicher sprechen muss.
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Maurice Tourneur, das ist der Regisseur dieses Filmes, ist von Geburt Franzose. Vor dem Kriege ging er nach Amerika und als der Krieg ausbrach, wollte er das Irrsinsschlachten nicht mitmachen und blieb in Amerika. Liess sich dann naturalisieren und kam vor einem Jahr nach Frankreich zurück, wo er die Verfilmung des obenerwähnten Filmes begann.
Nun begannen die gewissen ‘patriotischen’ Kreise und die Herren Kollegen Regisseure, die seine Konkurrenz mit Recht fürchteten, eine Kampagne, um den Mann an seiner Arbeit zu hindern und sprachen natürlich von ‘Desertion’ und ähnlichen fragwürdigen Dingen.
Maurice Tourneur, der ein bedeutender Künstler ist, liess sich durch dieses Geheul nicht erschrecken. Die Firma, die Angst bekam, ersuchte ihn aber, um die Querulanten zu befriedigen, auf die Nennung seines Namens in Frankreich und Belgien zu verzichten.
Tourneur gab nach, denn ihm handelte es sich einzig und allein darum zu arbeiten und er sagt ganz richtig: Das Publikum das sich ernstlich für meinen Film interessiert kann wenn es will, den Namen des Regisseurs erfahren. Und das andere, die grosse indolente Masse - auf deren Beifall kann ich verzichten.
Das reizendste an der Affaire ist aber, dass sein Name im Ausland verwendet wird, um Reklame zu machen, denn sein Wert ist längst bekannt. Oder Fachzeitungen erscheinen, die auf der ersten Seite einen Hetzartikel gegen Tourneur bringen und in derselben Nummer, schamlos, ein Communiqué der Vertriebsfirma abdrucken, das dem Film und insbesondere seiner Regie unendliches Lob spendet.
Das alles wäre nur von geringer Bedeutung wenn es sich nicht erstens um einen grossen Künstler handelte, dem neidische Kollegen die Arbeit erschweren wollten und dann nicht der Präzedenzfall so überaus böse Wirkungen haben könnte. Denn wie wäre es denn, wenn Mrs. Lita Grey mit Hilfe der Dummheit amerikanischer Frauenorganisationen erreichte, dass der Name Charlie Chaplin nicht auf seinem Filmen erscheinen dürfte? Oder dass der Name eines Regisseurs nicht genannt wird, der andere Ansichten, seien es politische oder künstlerische, hat als die der Herren die eben am Steuer sitzen? Deswegen erscheint es mir eine Pflicht den Namen Tourneurs gegen alle Machinationen zu nennen und alle, die die Filmkunst achten, darauf aufmerksam zu machen, dass trotz aller Hindernisse Maurice Tourneur ‘L'Equipage’ gedreht hat, einen Film auf dem Frankreich stolz sein kann; denn der Kunstwert dieses Filmes ist ausserordentlich und uns kann es gleichgültig sein, was im Leben eines Künstlers vorkam, wenn er Werke schafft, die so vollkommen sind wie dieser Film.