W. Poedowkin:
Vortrag
(Filmliga Amsterdam, 10 jan. 1929)
Wij publiceeren den letterlijken tekst van Poedowkin's rede, teneinde iedere verkeerde interpretatie van zijn bedoelingen te voorkomen en te corrigeeren. Daar het russische manuscript binnen enkele uren in het Duitsch moest worden vertaald, kunnen vergrijpen tegen de grammatica wellicht zijn blijven staan; wij meenen echter aan een onveranderden afdruk den voorkeur te moeten geven. Red.
Vor allen Dingen möchte ich Sie alle herzlich grüssen Im Namen der Filmarbeiter in Russland. Wir wissen dass wir der Filmliga verpflichtet sind und dass unsre Arbeiten durch Sie dem holländischen Filmpublikum gezeigt worden sind. Ich rechne es zu einer Ehre die Möglichkeit zu haben persönlich unsere tiefe Dankbarkeit zu übermitteln und ich hoffe dass die Verbindung zwischen die Filmwelt in Holland und Sovjet Russland sich entwickeln wird.
Zu meinem grossen Bedauern konnte ich keine Fragmente aus meinem letzten Film ‘Sturm über Asien’ mitnehmen, weil die Kopien in den verschiedenen Theatern von Deutschland im Verleih zerstreut sind. Ich werde versuchen Ihnen in einer kurzen Rede etwas zu sagen, in grossen Linien, über die Geschichte der Kino-Kunst in Sowjet Russland, und über die Prinzipien welche die Grundlage der heutigen Filmkunst sind.
Ungefähr in 1920 hat der junge Regisseur und Kinotheoretiker Kuleschow eine Gruppe junger Menschen um sich versammelt und stellte sich zur Arbeit zu kämpfen für die Idee einer neuen Richtung in der Kino-Kunst. In dieser Gruppe fingen meine Filmarbeiten an. Wir bekämpften die Filme die auch gegenwärtig noch die Markt überschwemmen; die Filme die man hier ‘Kitsch’ nennt. Diese Filme sind berechnet auf eine oberflächliche Neugierde eines mittelmässigen Publikums. Sie bieten nur dem gewöhnlichen Publikum eine leichte Unterhaltung: unbedingt ist notwendig ein hübsches Gesicht, unbedingt notwendig a happy end, und zum Abschluss ein Kuss in Blendung.
Diese Filme waren unsere Feinde. Wir fanden sie sehr schädlich sowohl vom Standpunt der Kunst sowie der allgemeinen Kultur. Die Regis-
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seure dieser Filme wollten nur eine unterhaltende Geschichte ganz glatt erzählen, und übersahen ganz die künstlerische Aufgabe des Films. Diese Filme waren im Grunde nur photographiertes Theater. Die Schauspieler bemühten sich mit primitiver Mimik Ihre Gefühle auszudrücken, dabei aber zu stark übertrieben und dadurch unwahrscheinlich. So enstand eine grobe Pantomime wobei von Filmkunst keine Redesein konnte. Im Gegensatz zu den theatralischen Prinzipien der alten Kinematographie, stellten wir eine neue Lösung hin, die zugleicherzeit die Richtung gab für unsere weitere Arbeit. Diese neue Lösung ist bis auf heute grundlegend geblieben für die Filmkunst in Sowjet Russland.
Sie ist Folgende: Grundlageder Kino-kunst ist die Montage. Ich nehme an, dass Sie wissen was Montage ist. Sie wissen dass hierunter zu verstehen ist eine strenge Konstruktion des gesammten Filmes aus kleinen Stücken; diese Konstruktion muss sehr genau und überdacht ausgeführt werden, so dass sowohl Rythmus und Gedanke beide verantwortet sind. Ebenso, wie aus verschiedenen Tönen der verschiedenen Instrumente ein Orchestersymphonie aufgebaut wird, ebenso wird aus den verschiedenen Bildchen der gesammte Film komponiert.
Wir sagten, dass die Wirkung von einzelnen Bildchen nicht abhängig ist von der Uberzeugung womit der Schauspieler irgendwo gut geweint oder gelächelt hat, sonder auch von den vorherigen und folgenden Bildstreifen.
Durch eine richtig konstruierte Reihenfolge kann man den Ausdrück des Schauspielers bis ins Zehnfache steigern, und umgekehrt kann man das schönste Spiel vernichten durch eine falsche Montage.
Ich erinnere mich noch in welcher Aufregung wir kamen als unser erstes Experiment gelang. Wir nahmen für dieses Experiment aus irgend einem Film einen Streifen mit dem Gesicht von Mosjoukine, der irgendwo hinschaut. Absichtlich wählten wir einen ruhigen gleichgültigen Ausdruck seines Gesichtes, und diesen Bildstreifen von Mosjoukines Gesicht haben wir dreimal mit andern Streifen zusammengeklebt. Das erste Mal war sofort nach dem Gesicht von Mosjoukine ein Streifen angeklebt mit einem Teller Suppe; für den Zuschauer war es, alsob Mosjoukine auf diesen Teller Suppe schaute. Im zweiten Fall haben wir als Objekt seiner Aufmerksamkeit einen Sarg, worin eine junge Frau liegt, angeklebt. Im dritten Fall, ein kleines Mädchen mit einem Teddybeer, welcher komische Bewegungen machte. Wir haben dann diese drei Streifen in einer Rolle zusammengeklebt und einem unvorbereiteten Publikum vorgeführt und das Resultat war überraschend. Sie waren darüber begeistert, wie fein der Artist spielte. Im ersten Fall sahen sie ein dumpfes, in Gedanken Vertiefftsein über dem Suppenteller. Im zweiten Fall bemerkten sie den Schmerz und den erschütterten Blick womit er auf die Tote sah. Im dritten Fall waren sie entzückt über das zarte Lächeln, womit er das spielende Kind anschaute. Aber in Wirklichkeit in allen drei Fällen war das Gesicht dasselbe. So mächtig ist die Wirkung der Montage.
Und das zweite Experiment ein andres Problem der Montage. Wir hatten jetzt eine kurze und einfache Szene aufgenommen. Der Inhalt war folgende: Zwei Menschen sehen einander auf der Strasse, treffen einander, der eine weist dem anderen auf etwas, beide schauen hin, sehen ein grosses weisses Haus mit einer breiten Treppe. Dann gingen die beide Menschen weiter und stiegen auf diese Treppe. Die ganze Szene war in kleinen kurzen Stücken aufgenommen. Diese Teile würden in den verschiedensten Gegenden von Moskou aufgenommen. Der eine Mensch verbeugte sich im östlichen Teil der Stadt, der andere antwortete ihm im westlichen Teil, und sie trafen einander im Zentrum; und das weisse Haus worauf die beiden schauten war das Parlament in Washington, das wir aus einem amerikanischen Film geschnitten hatten. Die Treppe auf welche die Menschen hinaufgingen, hatten wirgefunden bei der grossen Kathedral in Moskau. Als die einzelnen Stücke montiert waren bekamen die Zuschauer einen volkommenen Eindruck von Einheit von Ort und Handlung. Auf der Leinwand war alles vereint. Das weisse Haus in Washington war ganz in der Nähe vom Kremlin.
Dies alles ist für Sie nun keine Neuigkeit mehr, aber damals haben wirzum ersten Mal verstanden, dass die Filmkunst eine wirkliche neue selbst-ständige Kunst ist, dass sie nicht eine photographische Kamera ist, die nach sklavischer Art und Weise die Wirklichkeit abkopiert. Wir haben verstanden, dass im Film jede Realität, ein Mensch oder ein Ding, nur Rohmaterial ist, woraus durch Komposition erstein Kunstwerk geschaffen werden kann. Diese Arbeit der Komposition nennen wir die Montage.
Auf den Wegen der Entwicklung der Montage-Kunst sind wir schon weitergekommen. Es sind erschienen die Arbeiten von Wertof, die gezeigt haben welche grosse Rolle in der Montage der Rhytmus spielt. Das Aneinanderfügen der verschiedenen Stücken von verschiedener Länge, mal kürzer, schneller, aufregender, steigernd, dann wieder langsamer, länger, beruhigender, ist ausserordentlich wichtig für die Wirkung auf den Zuschauer. Schliesslich kam Eisenstein,
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der in seinem genialen Potemkin alle Resultate dieser Experimente in einem Griff vereinigte. Auch er war es, der uns sagte in ‘Zehn Tage die die Welt erschütterten’, was man erreichen kann durch eine Komposition einzelner Bilder, welche nicht verbunden sind durch eine Fabel, oder Handlung, sondern durch verständliche Assoziation; z.B. hat er montiert nach den Bildern von Kerensky die ganz drollige kleine Statuette des stolzen Napoleon. Er komponierte die Bilder sowie ein Schriftsteller die Wörter komponiert in einer Phrase, die eine abstrakte Idee wiedergibt. Nun werde ich versuchen einige Worte über meine eigene Arbeit zu sagen.
Ich habe keine Erfindungen gemacht. Alle Mittel welche ich in meiner Arbeit verwendete haben andere ausgefunden Das Grundprinzip meiner Arbeit ist immer: Realität von Material. Ich nehme niemals geschminkte Menschen, aufgeklebte Bärde, gezeignete Züge, und untermalte Augen. Ich kann nicht arbeiten mit künstlich aufgebauten Landschaften im Filmatelier und so kann ich auch nicht mit Menschen arbeiten, die ihre Rolle spielen, aber nicht erleben. Wenn ich die Aufnahmen machte von den Schützengraben in ‘Ende von St. Petersburg’, verbrauchte ich 200 kg. Dynamit um dem Boden das richtige Ansehen eines Schlachtfeldes zu geben. Für diese Aufnahme habe ich auch sehr viel Benzin verwendet, welche über die Bäume und Pflanzen gegossen wurde um sie teilweise abzubrennen und so die richtige Kriegslandschaft zu erzeugen, und schliesslich hat eine Abteilung Genie die Schützengraben gegraben und mit Wasser gefüllt. Ich weiss sehr gut, dass niemals irgendwelcher Architekt umstande sein wird so eine Landschaft im Atelier zu bauen, was meiner Ansicht nach nur zu erreichen ist mit wirklicher Erde, wirklichen Explosionen, Bäumen, u.s.w. Und dasselbe sage ich über das Spiel von Schauspielern. Das schlimmste für Menschen die im Film arbeiten ist die Gewohnheit zu ‘spielen’. Wenn man einen grossen Schauspieler bittet zu sitzen und nicht zu spielen, so spielt er dass er nicht spielt. Darum liebe ich es so mit Leuten zu arbeiten, welche noch niemals gespielt haben und noch niemals aufgenommen wurden.
In meinem letzten Film ‘Sturm über Asien’ habe ich gearbeitet mit Mongolen, also ganz unkultivierten Menschen die nicht mal meine Sprache verstanden. Aber unbeachtet aller Schwierigkeiten haben sie meiner Ansicht nach, besser gearbeitet vor dem Apparat als alle Berufsschauspieler. Mein Traum ist, einmal einen Film machen zu können ganz ohne Berufsschauspieler. Es wird Ihnen wohl interessieren zu erfahren wie ich mit solchen Menschen arbeite. Sehr einfach....Das Geheimnis liegt wieder in der Montage. Also nehmen wir an, dass ich folgende Szene aufnehmen soll:
Ein Mensch sitzt am Tisch, hebt den Kopf auf, sieht einen auf ihn gerichteten Revolver, und erschreckt sehr. Dann stellt es sich heraus, dass es ein Witz ist, und der Mann lächelt. Wenn ich die Szene ganz nach einander aufnehmen werde, dann ist natürlich eine grosse Schauspielerkunst notwendig um alle diese drei Phasen zu erleben und man ist dann unwillkürlich gezwungen zu spielen. Aber wir werden uns vorstellen dass die ganze Szene in ganz kleinen Stücken aufgenommen wird mit dem Hintergedanken sie nachher zusammenzukleben: zu montieren. Wir erhalten dann ganz etwas anders. Ich kann z.B. einen in Gedanken versunkenen Menschen aufnehmen dadurch dass ich ihn veranlasse irgend eine schwere Rechenaufgabe in seinem Kopf zu lösen. Ein zweites Bild wird sein, dass er den Kopf hebt indem ich seinen Namen rufe. Wieder extra werde ich aufnehmen den Revolver den er sieht. Dann werde ich sein Gesicht aufnehmen in dem Moment wo ich ihn erschrecke mit einem unerwarteten Schuss aus einem Revolver. Die nächste Aufnahme erfolgt indem ich ihm erzähle dass der Schuss absichtlich abgefeuert wurde.
Jede einzelne elementare Gemütsverfassung ist bei jedem einzelnen Menschen hervorzurufen. Dass ist nurabhängigvom Können des Regisseurs. Darum nehme ich niemals lange Szenen auf um das ‘Spiel’ auszuschalten. Ich nehme nur einzelne kurzen Stücke der einzelnen Gefühisregungen, und montiere aus ihnen das Spiel des Menschen.
Ich musste einmal das gutmütige Lächeln eines Schauspielers aufnehmen. Es gelang mir nicht, weil er es spielte, und ich habe ihn dann aufgenommen, als er glaubte die Aufnahmen wären zu Ende, indem er lächelte über einen von mir erzähiten Witz.
Ich musste mal aufnehmen die Gesichter von Mongolen die sich ganz ausreckten, indem sie ganz kostbare Pelze anschauen wollten. Ich habe dazu einen chinesischen Gaukler eingeladen und das Bild der interessiert zuschauenden Mongolen wurde nachher in dem Bild vom Pelz einmontiert. Das sind die Grundmittel meiner Arbeit mit den Menschen. Ich arbeite sehr viel um dieses System zu vertiefen und auszubauen.
Ich will Sie noch aufmerksam machen auf eine charakteristische Eigenartigkeit unserer Arbeit in Sowjet-Russland. Ich möchte Ihnen erzählen über einen Kollektivismus, der immer bei unserer Arbeit eintritt. Unserer Meinung nach ist die Arbeit des Kameramannes ebenso wichtig wie
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BRANDING
CO SIEGER EN HEIN BLOK IN DE FEESTSCENE
die des Regisseurs oder Schauspielers. Ich arbeite mit meinem Operateur immer zusammen vom Anfang des Bildes an. Wir bearbeiten jede Szene des Manuskriptes zusammen. Niemals befehle ich dem Kameramann etwas; ich möchte vielmehr ein gegenseitiges Verstehen, und ich glaube, dass ich einen grossen Teil meiner Erfolge dem Talent von Golowna verdanke. Sein Aufnahmeapparat ist keine Maschine mehr. Er nimmt so auf dass der Zuschauer eher den innerlichen. Wert des Bildes fühlt, als die äusserliche Form.
Ich möchte jetzt noch sprechen über eine sehr wichtige Frage, die den russischen Film im allgemeinen betrifft. Oft kommen in der ausländischen Kritik folgende Vorwürfe: warum sind in den russischen Filmen die Kapitalisten immer schlecht, die Arbeiter immer gut? Das ist doch nicht richtig. So ist es doch nicht im Leben? So schreiben die Kritiker. Und sie denken dass es durch eine zu scharfe Tendenz bedingt wird, und rechnen das als ein Vergehen gegen die Gesetze der Kunst. Erlauben Sie mir dazu folgendes mitzuteilen:
Wollen wir z.B. einen Schriftsteller als Dickens nehmen. Es ist doch schwer ihn vom Bolschewismus zu beschuldigen. Aber es ist doch leicht zu bemerken, dass die guten Helden seiner Romane immer arm, und ihre bösen Gegner die sie überfallen und ihr Leben vernichten, immer reich sind. Wenn bei Dickens irgend ein Richter oder Gerichtsbeamter vorkommt, sind sie immer schlecht. Jeder Künstler soll prägnant sein. Woher kommt das? Weil die Kunst niemals gewesen ist und auch niemals sein wird ein einfaches sklavisches Adoptieren der Natur. Die Aufgabe des Künstlers ist immer das Dienen eines bestimmten Gedankens, einer bestimmten Idee. Diese Idee zwingt ihn aus dem grauen gemischten Material des Lebens auszuwählen dasjenige was er braucht. Er muss die dunklen Stellen mit seinem eigenen Licht beleuchten, damit man sie sieht. Manchmal soll er zu helle Teile verdunkeln um nicht abzulenken von kleinen aber wichtigen Details. Der Künstler ist immer prägnant, er soll immer etwas lieben und immer über etwas zornig sein. Wenn er ganz objektiv wäre könnte er genau so gut Chemiker, Doktor, in einem Wort Wissenschaftler sein, aber kein Künstler. Ein Künstler muss die Menschen bewegen, und bewegen kann man sie nur mit Liebe oder mit Zorn. Ruhige Objektivität lässt den Zuschauer immer kalt. Ich kann einen tsaristischen Offizier nicht lieben, wenn ich durch ihn das russische tsaristische Regime zeigen will, dass ich als schlecht empfinde. Meine Aufgabe ist es nicht irgend einen Menschen in militärischer Uniform zu zeigen. Unter Offiziere können selbstverständlich gute Leute vorkommen, aber ich kann durch einen guten Kerl nicht eine schlechte Sache darstellen. Ich liebe die alte Mutter des revolutionären Sohnes und ich will auch dass das Publikum sie liebgewinnt und deshalb ist sie in diesem Film die gute Gestalt. Man kann natürlich auch nicht einig sein mit den Anschauungen die die Grundlagen unserer Filme sind, aber man kann uns nicht beschuldigen dass wir gegen die Gesetze der Kunst verstossen haben. Bei den amerikanischen Filmen herrscht die Sitte dass bei einem Liebespaar die Heldin immer schön und hübsch ist und der Held ebenso, und niemand protestiert, ungeachtet dessen dass im Leben auf eine schöne Frau mindestens 100 hässliche gefunden werden. Erlauben Sie uns dass wir geistig zu schönen Menschen erheben diejenige, die wir lieben, und zu hässlichen diejenige die wir nicht lieben können. So ist es in der Kunst immer gewesen und wird es auch immer sein.