Karl Wilker
Vom Sinn der Freiheit in der Erziehung
Konferenz der Internationalen Liga für neue Erziehung

Dies das Gesamtthema einer Konferenz, die - als vierte dieser Art - von der New Education Fellowship für die erste Augusthälfte 1927 nach Locarno einberufen war. Die Beteiligung war gross: über 1000 Menschen aus 43 Ländern aller Erdteile, die meisten als stille Zuhörer, als Beobachter, als Sucher nach gleichgesinnten Menschen. Viele als Redner, teils als vorher bekannt gegebene, teils als plötzlich auftauchende, die vermeintlich Neues, Bewegendes mitzuteilen haben.

Nicht alles hält sich streng an das Thema, das allerdings weitesten Spielraum gibt; das sich ergab aus den vorhergegangenen drei Konferenzen (Calais 1921, Montreux 1923, Heidelberg 1925), deren jede von der Entwicklung des Schöpferischen im Kinde handelte. Das war auch auf dieser Konferenz der Unterklang, der sich am stärksten vielleicht in der Gruppe ausdrückte, die sich mit dem Finden neuer Wege für die künstlerische Erziehung befasste: Befreiung der Kräfte, die die alte Schule im Kinde nicht zu entwickeln vermag, die sie oft nicht einmal erkennt, die sie eher bekämpft, weil sie ihr unbequem sind, die sie bekämpfen muss, weil aus der Entfaltung Gegner der Schule der Unterrichter entstehen würden.

Die leitenden Kräfte: Beatrice Ensor, Adolphe Ferrière, Elisabeth Rotten. Neben ihnen der geschickte Präsident: Pierre Bovet, der Leiter des Jean-Jacques-Rousseau-Instituts in Genf. Unter den Rednern Namen, die Klang haben: Alfred Adler, Pfister, Tobler, Otlet, del Manzo, Wyneken, Decroly, Petersen, Carleton Washburne, Jagadis Chunder Bose, Harold Rugg, Paul L. Dengler, Lucy W. Wilson, Wilhelm Paulsen, Marietta Johnson, Lisa Tetzner. Daneben ‘neue Namen’: Lottig, Mack, Daiber...viele andere, vielleicht in Jahrzehnten gekannte.

Nicht alles ist gleichwertig, was gesprochen wird. Aber Gegensätze werden als vereinbar erkannt. Gemeinsames wird aufgefunden. Wegweisendes wird weitergegeben.

Mitunter prallen Meinungen auf einander. Um so tiefer nach Verbindendem zu schürfen.

Über allem: Die Konstante ist das Kind - das Kind in seiner ganzen Eigenart, hinter deren Geheimnisse keine Psychologie, keine andere Forschung zu dringen vermag, das eigenwertige, eigen zu bewertende Kind. Ein schwer zu begreifender Satz dem nur naturwissen-schaftlich Denkenden. Leicht zu begreifen dem, dem Kind mehr ist als blosses Zeugungsprodukt einer Zweiheit.