M. Nettlau
Nie wieder Diktatur
III

Nie wieder Diktatur

Om het voor de toekomst van het socialisme uiterst belangrijke doel, de verwerping van iedere dictatuur van een afzonderlijke richting, te bereiken, wordt voorgesteld, dat alle niet-dictatoriaal gezinde richtingen een solidariteitsverdrag sluiten, om zich gemeenschappelijk te verdedigen tegen iedere dictatuur om tot een vreedzame samenleving te komen. De materieele basis voor dit plan is de proportioneele verdeeling van den maatschappelijken rijkdom en van de productiemiddelen aan alle richtingen. Ondeelbare voorwerpen en instellingen zouden voorloopig geneutraliseerd moeten worden, alle strijdvragen worden uitgesteld, en op die wijze zou de nieuwe maatschappij onder gunstige omstandigheden kunnen worden opgebouwd.
Zoo men dit wil moet het echter vanaf dit oogenblik worden voorbereid, door de praktische mogelijkheden te bestudeeren, en door een mentaliteit van inzicht en wederzijdsche verdraagzaamheid te scheppen.
Alleen dan, kan, volgens de meening van den schrijver, de toenemende overheersching en het voortduren van den strijd worden tot stand gebracht, door de leus, en de daarmee gepaard gaande daad: nie wieder Diktatur.

Plus de Dictature

Ce but dont la nécessité urgente pour l'avenir du socialisme a été démontrée dans les articles précédents, serait le mieux atteint par un pacte de solidarité entre toutes les nuances non dictatoriales du socialisme, qui affirme leur défense mutuelle contre toute tentative de dictature et qui garantirait les bases de leur coexistance en réalisation autonome de leurs aspirations et en tolération réciproque les unes envers toutes les autres.
La richesse sociale serait repartie proportionellement entre toutes, les objects et institutions indivisibles seraient neutralisés, les questions en litige ajournées, et ainsi la société nouvelle commencerait sans l'égide de la solidarité et non sous le jong d'une dictature quelconque.
Si on veut ce but, il faut le préparer dès maintenant, par l'étude des bases techniquement pratiques de cette coexistence internationale des groupements d'hommes de bonne volonté de toutes les nuances sociales qui se rallient au cri et à l'action du: Plus de dictature.

No more Dictatorship

The urgent necessity for socialists to rally against present and coming dictatorships having been demonstrated in the previous articles, the means towards this end are examined here. A pact of solidarity between all non dictatorial shades of socialist opinion is proposed, assuring their common defense against all dictatorships and, after a socialist victory, an equitable repartition of social wealth and means of production between all parties.
As a portion of these objects or institutions cannot be divided, they would be provisionally neutralized, and all controversial matters adjourned until greater experience and a more solidarist mentality will suggest friendly solutions.
A new society would thus begin with a clean slate, equal opportunities for all, to show the efficiency of their preferred social arrangments and mutual good will.
This is considered to be conform to the desire for comity which inspires every step forward of true civilisation, and it will stop the further advance of violence and brutality by the cry and action of: no more dictatorship.

Die Diktatur kann nur von solchen Vertretern sozialer Ideen ernstlich bekämpft werden, in denen selbst der Wille zur eigenen Diktatur nicht mehr lebt, dieses atavistische Produkt urzeitlicher Gewaltätigkeit, verstärkt durch die Hysterie des gläubigen Fanatikers. Die Menschheit als ganzes, entwickelte nie eine einheitliche und einzige Sprache, Rasse, Nation, Religion, Rechtsvorstellungen, Moral und künstlerische Ideale, sondern deren bunteste Vielartigkeit. Überall liegen alte Reste neben neuen Anfängen, und gar das Leben selbst ist fast für jeden voll von Hoffnungen, Möglichkeiten, Wechselfällen. Wenn heutzutage der kapitalistische Imperialismus eine Nivellierung anstrebt, um zur Massenproduktion die dazugehörigen Massenkäufer heranzuzüchten, wird dies doch von freien Menschen als Mahnung empfunden, die Menschheit dieser Diktatur zu entreissen, deren Ideal wie van Doren einmal schrieb, dies ist, dass jeder Amerikaner die gleichen Kleidertypen trägt, die gleichen Lebensmittel verbraucht, die gleiche Durchschnittsmentalität besitzt, so dass er, wie die Bestandteile standardisierter Maschinen, mit jedem andern Amerikaner austauschbar (interchangeable) sei. Ebenso wünschen seit jeher die Beamten, dass der Staatsbürger sich ihren Vorschriften und Formularen angleiche, um ihnen die geringste Mühe zu machen, und für die Statistik glatte Zahlen zu liefern.

Diese Grotesken werden zu einer traurigen Wirklichkeit, wenn einstmals alles sozial-demokratisch, sovietistisch, oder selbst syndikalistisch oder sogar anarchistisch werden müsste. Erzwungenem begegnet stets Hass und Widerstand, die es früher oder später zu Fall bringen. Nur auf Grund von Erfahrungen sich als zweckmässig erweisende Einheitlichkeit kann, im sachlich erforderlichen Umfang verwirklicht werden; ein Sprung aus der Vielartigkeit in eine Einheitlichkeit, erzeugt nur Diktatoren und Beherrschte. Tiefere sozialistische Denker se-

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hen im Sozialismus vor allem eine Gleichartigkeit der Lebensbedingungen, nur gänzlich autoritär eingestellte Sozialisten verkündeten eine allgemeine Nivellierung. Was ich hier anrege ist nichts anderes als diese Gleichheit der Lebensbedingungen für jede Art des Socialismus selbst. So wie ein hinlänglich erzogener und ausgebildeter, mit freiem Zutritt zu den Produktionsmitteln ins Leben hinausstretender Mensch sich sein eigenes Leben ohne gegen andere aggressiv und ausbeutend vorzugehen gestalten kann, so würden die sich zur Verwirklichung einer bestimmten Nuance des Sozialismus zusammenschliessenden Massen, neben anderen sozialistischen Kollektivitäten nicht aggressiv und nicht invasiv, jede ihr eigenes Lebensideal zu erreichen suchen.

In jedem andern Fall würde doch eine irgendwie zur Macht gelangende Richtung ihr System allen aufzwingen, so dass alle andern sozialistischen Richtungen auf ihre eigenen Ziele und Wünsche verzichten müssten. Sollte nun dem Zufall überlassen werden, welche Richtung zur Diktatur gelangt? Dies wäre eine grenzenlose Gewissenlosigkeit, und bedeutete, dass auf diesem lebenswichtigen Gebiet die sonst bewährte Methode, durch Übung und Erfahrung Resultate vou wirklichem Wert zu erzielen, ausgeschaltet würde. Der Fall des kapitalistischen Systems wird, wie der des Zarismus im Früjahr 1917, nie einer einzigen sozialistischen Richtung als Verdienst zugeschrieben werden können. Um also einen nichtswürdigen Erbschaftsstreit zu vermeiden, ist dringend notwendig, die sozialistische Mentalität auf die Gleichberechtigung aller nicht invasiven Arten des Sozialismus gründlich vorzubereiten. Dies kann am ehesten geschehen durch

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einen Solidaritätspakt aller nicht diktatorischen Richtungen für den Fall, dass eine wirkliche Revolution die Staatsmacht bricht und das Volk den Tribut an das Kapital verweigert, und das Grundbesitzmonopol nicht mehr anerkennt. Würde dann eine einzige Richtung ihr System universell durchzuführen suchen, würde ein blutiger Szenenwechsel folgen, wie 1798-1794 und 1848-1849. und 1917 März-November, oder sofort eine Diktatur, wie im November 1799, im Dezember 1851, und im November 1917. Der Solidaritôtspakt soll dem vorbeugen, denn am Tage der Revolution ist es bereits zu spät, da fallen links noch die letzten Freiheitkämpfer, während rechts schon die Revolutionsprofiteure sich in die Ministerfauteuils hineinwühlen, und ihnen entgegen zu treten von dieser Minute ab Hochverrat wird. Ein solcher Pakt würde alle sozialistischen Richtungen zu solidarischer Abwehr jeder Diktatur verpflichten, und würde jeder zu sozialem und nicht invasivem Leben bereiten sozialen Richtung, in Proportion zu ihrer Grösse, Land, Rohstoffe und Bodenschätze, Arbeitswerkzeuge, motorische Kräfte, Wohnungen usw. garantieren. Jede Richtung, mag dann durch ihre Leistungen anziehend wirken oder nicht, woraus sich neue Formen usw. ergeben können, deren Lebensbedingungen durch neue proportionelle Zugänglichmachung von Produktionsmitteln usw. gesichert würden.

Nichts wäre einfacher, bei etwas gutem Willen. In geräumigen ländlichen Gegenden und in neuen Siedlungen mag vollständige Trennung bestehen, während in Städten alle unbekümmert neben einander leben würden, ohne dass sich einer um den Nachbarn kümmert. Wüssten nur die Menschen, dass der Sozialismus ihnen so ein ungestörtes Eigenleben garantiert, und sie nicht in Parteien einpfercht, und neuen Diktaturen unterstellt, würde sie eine ganz andere Einstellung, ihm gegenüber gewinnen, als heute, wo ein Blick in ein sozialistisches Blatt meist nur spitzfindige Polemik, wenn nicht wüstes Gezänk, wahrzunehmen erlaubt.

Bei Fortdauer dieser kleinlichen Rechthaberei würde natürlich auch die proportionelle Teilung der Arbeitswerkzeuge usw, zum Streit führen. Prestigefragen und Unnachgiebigkeit machen aus der besten Sache einen Streit, man diplomatisiert, und polemisiert Jahraus, Jahrein, und dem langwierigsten Prozessverfahren und diplomatischen Winkelspiel steht längst die Ewigkeit sozialistischer Polemiken gleichwertig zur Seite. Eine Rationalisierung des Sozialismus tut dringend not.

Zum Glück gibt es noch genug lebendige intellektuelle Kräfte, denen ich die Vorbereitung der hier skizzierten nenen sozialistischen Mentalität ans Herz legen müchte. Diese guten Köpfe überblicken den Zustand des Kapitalismus, die Menge und örtliche Verteilung der Rohstoffe, Bodenschätze, Nährstoffe, usw., die Verkehrsund Transportmittel, die Erfordernisse der technischen Leitung der Produktion, usw. Sie kennen auch den Grad der Organisation der Arbeiter und die Stärke ihres sozialistischen Willens, und durchschauen das Wesen der heute zwischen den Arbeitern errichteten Parteischranken, die sie ebenso verhängnisvoll trennen wie staatliche Grenzen, nationaler Hass und sonstiger Irrwahn. Wie die Menschen nicht dank ihrer Regierungen sondern trotz derselben leben, so lebt auch der Sozialismus nicht dank seiner Führer, sondern trotz derselben und viele in ihm schlummernde Kräfte verkümmern heutzutage. Es gibt auch noch vielerlei ausserhalb aller Parteien, freiwillige Bemühungen, auf so vielen Gebieten menschlicher Persönlichkeitsentfaltung.

Aus all dem und vielem anderen kann man wohl die praktischen Grundlagen eines Solidaritätspakts schaffen, wenn man über den Wust von angesammelten Organisationsvorurteilen, Streitfragen, Führerinteressen, fatalistischer Routine, usw. geistig rationalisierend hinwegschreitet.

Solche Arbeiten würden auch erkennen lassen, welchen Grad regionaler oder internationaler Ausdehnung die einzelnen Produktionszweige erfordern, ebenso die für jeden derselben geeignetsten Grössenverhältnisse. Das ganze soziale Inventar der Erde würde unbefangen in Bezug auf seine Verwendbarkeit für eine gänzlich internationale profitlose, und das grösste Allgemeinwohl anstre-

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bende Menschengemeinschaft untersucht werden. Für das sich so ergebende praktisch beste würde dann jede sozialistische Richtung wirken und es wäre so eine Grundlage für wirklichen, tatkräftigen Internationalismus gegeben. Vermutlich würde sich ergeben, dass manche Betriebszweige und Einrichtungen gar nicht, oder vernünftigerweise nicht geteilt werden und auch nicht mehrfach ins Leben gerufen werden sollten. In solchen Fällen empfiehlt sich ihre Neutralisierung. Für nicht gleich zu lösende Probleme empfiehlt sich ein vorläufiger modus vivendi, bis sich späer auf Grund weiterer Erfahrungen ihre Lösung findet. All dies ist möglich, wenn man nur will. Wie viele internationale Einrichtungen gibt es nicht schon, während vor hundert Jahren fast nichts derartiges bestand!

Wie schnell verschwinden Streitfragen, wenn aus wichtigeren Gründen eine ‘entente’ gesucht wird! In wieviel unentwirrte Einzelschicksale greifen nicht Amnestien spielend ein! So sollte es auch den Sozialisten möglich sein, den sie heute immobilisierenden Ballast abzustreifen.

Unbedingt nützliche und notwendige Einrichtungen wie Hygiene und Krankenpflege, Beleuchtung, Wasserversorgung, Kanalisation, elektrische Kraftgewinnung. Transportmittel, Brennstoffzufuhr, wichtige Bergwerke usw., all dies technisch vollendet funktionieren zu sehen, liegt im Interesse aller. Alle nützliche Arbeit wird hier von den Technikern, Arbeitern, und einigem rechnenden und registrierenden Bureaupersonal besorgt. Solche Einrichtungen werden weder von einer Richtung oder von ihren eigenen Arbeitskräften monopolisiert werden, und ebensowenig von besonderen lokalen, oder territorialen Gemeinschaften geleitet werden, die dadurch indirekt behördliche Funktionen erlangen würden. Diese delikate Frage, der wir nicht vorgreifen können, muss im Sinne der aufrichtigsten Ausschaltung aller Einzelbestrebungen und der Anerkennung nur des technisch notwendigen behandelt werden. Ihre Erörterung würde die technischen Kräfte dem Sozialismus näher bringen, eine dringende Notwendigkeit, wie das Beispiel von Soviet-Russland täglich zeigt.

In einer solchen sozialistischen Weltgemeinschaft würden also Anarchisten mit eigenen Produktionsmitteln ihr Leben gewinnen ohne mit einem Staat etwas zu tun zu haben. Sozialdemokraten mögen unter sich eine Disziplin, eine Hierarchie, einen Marxkultus errichten, ungestört. Von einfacher Kooperation bis zum freiesten Kommunismus würden alle Arten der Einzel- oder gemeinsamen sozialen Betätigung Ausdruck erlangen. Irrtümer und Fehlschläge, überall unvermeidlich, können so noch am leichtesten eingeschränkt werden. In Russland muss Jahraus Jahrein das ungeheuere Land alle Irrtümer der Diktatoren des Panmarxismus mit bitterer Not und Elend bezahlen, bis dann wieder der ganze Organismus einer neuen Kur unterzogen wird. Wären in Russland vom Sommer 1917 ab, verschiedene Arten lokalen sozialistischen Lebens möglich gewesen, hätte längst durch Erfahrung eine Auslese der lebenskräftigsten Varietäten stattfinden können. Verdanken in der Natur neue Arten dem Nacheinander oder dem Nebeneinander verschiedener Entwicklungsmöglichkeiten ihren Ursprung?

Gewiss würden, bei diesem friedlichen Nebeneinanderleben, die Fanatiker und verhetzten Leute sich allmählich beruhigen, das private Leben würde, wie heute, alle Kreise einander näherbringen, und dann mag sich zeigen, ob die Freiheit anziehender ist, als die Autorität, und welchen Grad von Freiheit für sich zu verwirklichen jeder das Zeug hat.

Dieser Art also könnte der Beginn einer sozialistischen Weltgemeinschaft sein, in der jede nicht ihre eigene Diktatur anstrebende Richtung sich auswirken könnte, und die auch die physische und moralische Kraft hätte, diktaturfreundlichen antisozialen Elementen entgegenzutreten, als solidarische Einheit bei aller sonstigen Verschiedenheit unter sich.

Ist dies ein wünschenswertes Ziel, dann bahne man ihm den Weg, durch vorbereitende Arbeit, von dieser Stunde an, dann ‘lasse man die Toten ihre Toten begraben’, und wende sich an die lebenden Kräfte im Sozialismus aller Richtungen, welche Richtungen sich ebensowenig unter einander kennen, wie die Nationen, wodurch die Erde nicht mehr ein einfaches, sondern ein mehrfaches Chaos zu bilden beginnt.

Nichts ist leichter, als unentwegt für die

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ausschliessliche Geltung der eigenen Idee einzutreten, aber da hält man entweder nur Monologe oder der Fluch der Macht verwandelt den Besten in den grausamsten Diktator. Deshalb empfehle ich seit lange den Weg des friedlichen Nebeneinander aller nicht aggressiven sozialistischen Richtungen auf lebensfähiger ökonomischer Grundlage für eine jede derselben, und mit dem festen Willen, physisch und moralisch solidarisch, der heutigen und jeder kommenden Gesellschaft entgegen zuschleudern den Ruf und die Tat: Nie wieder Diktatur!