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L. Moholy-Nagy
Geradlinigkeit des Geistes umwege der Technik

Directheid van den geest - omwegen van de techniek.
Geest is de emanatie van het menschelijk bestaan. Hij neemt als kosmische uitgebreidheid naar ieder punt den kortsten weg. Omwegen van de techniek beteekent, dat praktisch alle wegen, die men om een doel te bereiken, inslaat, langer en vertakter zijn, dan zij - van den geest uit gezien - zijn moesten, d.w.z. alles kon beter gemaakt worden dan het tot nu toe gemaakt werd.
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Le caractère direct de l'esprit - les détours de la technique. L'esprit c'est l'émanation de l'existence humaine. Il prend comme expansion dans tous les sens le chemin le plus direct.
Les détours de la technique signifie que dans la pratique tous les chemins qu'on prend pour atteindre à un but sont plus longs et plus compliqués qu'ils doivent être quand vus par l'esprit, c.à.d. tout pourrait être mieux fait qu'il n'a été fait jusqu'ici.
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Directness of mind - circuity of technics.
Mind is emanation of human being, it takes as a cosmic expansion the shortest way to every point.
Circuity of technics means that in practice every way you take for accomplishing your purpose will be longer and more complicated than it should be, seen in your mind; that means: every thing could be done better than it has been done till now.

absehbare und unergründliche beziehungen entstehen gleicherweise unter kosmischer determination die chemisch-fysisch-transzendenten einflüsse der wechselwirkenden beziehungen verdichten sich verschieden, je nach gesetzlichem ablauf. einmal zur blauen farbe, ein anderesmal zu einen aggregatzustand und ein drittes mal zur sublimation des geistes. das denken - als funktionelles ergebnis von körper und weltallbeziehungen - ist in seinen erscheinungen ein stetiges, ein immer von neuem entstehendes fänomen. geist ist immanente emanation menschlichen daseins.

unter dieser determination der kosmisch entstehenden beziehungen darf es nicht verwirrend scheinen, über eine identität menschlichen denkens aller zeiten zu reden, selbst die formalen variationen des denkens, die sogenannte ‘geistige haltung’, sind in verschiedenen epochen zwangsläufig wiederkehrend. innerhalb dieser zwangsläufigkeit ist jede leistungsreihe von der zeitbedingten umwegigkeit technischer eroberungen abhängig, d.h. das gehirn arbeitet rascher als die ausführende hand. man kann diesen zustand schlagwortartig fassen: geradlinigkeit des geistes - umwege der technik.

die ‘geradlinigkeit’ ist nicht ein eindimensionales gerichtetsein auf das spannungsvolle, ökonomische, sublimierte allein, sondern vielmehr eine kosmische expansion, die nach jedem punkt hin den kürzesten weg nimmt.

‘umwege der technik’ bedeutet, dass praktisch alle wege, die man zur erreichung eines zieles einschlägt, länger und komplizierter sind, als sie - vom geiste aus gesehen - sein müssten, d.h. alles könnte besser als bisher gemacht werden, denn: die inspiration als anfang jeder tat - die geniale eingebung als zentrumbildende expansion - ist nur von zeit und umständen (auch technik) bedingte form des urgedankens.

 

ein beispiel: man wünscht immer mehr zu sehen als die augen fassen können. das fernrohr reicht bis zum nächsten dorf; das mikroskop in die spalten der zelle; der fernseher bis zum kap der guten hoffnung; die nächste station wird der mond sein.

umwegigkeit der technik hier (heute erkennbar): das problem des fernsehens nach anderen planeten mit linsensystemen schaffen zu wollen, statt es z.b. durch elektrisch-magnetisch-fotografische reagenzen zu lösen.

die konsequenz: alle kommenden observatorien werden unzulänglich sein, wenn sie auf traditionelle weise ausgerüstet werden.

 

um solche umwegigkeit auf ein minimum zu reduzieren, versucht man die eigene arbeit vom urgedanken her zu kontrollieren.

so kommt es, dass man manchmal von einer these besessen ist. sie gibt anlass zur arbeit,

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MOHOLY-NAGY
HUHN BLEIBT HUHN
FOTOPLASTIK 1925


mit ihr begründet man weitläufige konstellationen bis zu einer die ganze arbeit beherrschenden fixen idee.

man kann gegen diese herrschaft der idee gar nicht opponieren. denn: möge die basis noch so ‘launenhaft’ scheinen, alles ist schliesslich zur erhöhung der aktivität da. ein arbeitsichernder wahn, der mit logisch-kausalen konsequenzen operiert.

das ist oft die genesis einer fruchtbringenden theorie. sie ist anregung und gleichzeitig kontrolle.

 

ich war einige jahre von der wichtigkeit der ‘produktion-reproduktion’-these erfüllt. ich habe fast das ganze leben damit zu meistern gesucht. sie führte mich im einzelnen zu der analyse der reproduzierenden ‘instrumente’, zu verständnis und vorschlägen mechanischer musik; andererseits brachte sie mir grundlegende erkenntnisse auf fotografischem gebiet.

 

eine ergänzungsidee (vielleicht mehr als das, weil weniger mechanistisch, weil breit auslegbar) führt mich wieder zu optischen dingen: geradlinigkeit des geistes - umwege der technik.

 

seitdem für mich das problem: malerei - foto - film in die fase des optisch gesetzmässigen trat, erhellen sich mir die umwegigkeitsformen des uralten wunsches: farbige gestaltung als bannen von licht.

der immanente geist sucht: licht, licht!

der umweg der technik findet: pigment, (ein zwischenstadium, das erst durch das licht leben gewinnt.)

es ist ein verhängnis der menschheitsgeschichte, dass die geistigen emanationen zu falscher auswirkung verleitet werden, nämlich entgegen individueller elastizität und immer vorwärtsschreitender neigung des einzelnen richtet sich die menschliche gemeinschaft - als summe

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von individuen - nach der überlieferung angeblich unfehlbarer erfahrungen. angebliche unfehlbarkeiten verdichten sich zu fester existenz und die geheiligte existenz treibt zur eigenen rechtfertigung. das ist traditions-gebundenheit, geistige massenlähmung, zeitbedingte umwegigkeit.

das war auch das schicksal der pigmentendeckung. die erste verwendung heiligte den zufall, der im pigment eine art lichtlagerungsstätte, wenn auch in grobmateriell abtastbaren komplexen, gefunden hat. alle lichtgestaltung umwegt bis heute auf diesen spuren abendländischer malerei, obwohl seit der ersten laterna magica, seit der ersten camera obscura sich direkte wege des lichtbannens ergaben: projektorisch-reflektorische spiele mit farbig flutendem licht, flüssiges, immaterielles schweben, durchsichtiger farbenfall von leuchtenden garben, vibrieren des raumes mit schillernder lichtemulsion.

 

umwege der technik:

von der manuellen darstellung zum grafischen stehbild. vom stehbild zur kinematografie. vom flächigen zum plastischen. vom stummen zum sprechenden. vom undurchdringlichen zum durchscheinenden. vom kontinuierlichen zum simultanen. vom pigment zum licht.

 

mit fieber erarbeiten geist und auge die neuen dimensionen des sehens, die heute schon foto und film, plan und wirklichkeit bieten. die details für morgen. heute die übung des sehens.



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FOTO MOHOLY-NAGY
BELLE ILE EN MER 1925


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MOHOLY-NAGY
BLUMENFOTOGRAMM
1925