Albert Vigoleis Thelen
aan
Menno ter Braak

Palma, 3 juni 1935

Palma, 3.Juni 35

 

Lieber Herr Doktor, darf ich Sie noch einmal in Sachen Harry Kessler in Anspruch nehmen: mit gleicher Post geht ein Exemplar des ersten Bandes der Kesslerschen Memoiren an Sie ab; würde es sich nun mit Ihrer Ambition vertragen, wenn Sie sie persönlich in Het Vaderland besprächen? - Ich habe Kessler von Ihnen und dem ‘gezag’ Ihres Wortes erzählt und er sähe es nicht ungern, wenn in Holland von so berufener Hand auf sein Buch hingewiesen würde.- Dabei geht es sich aber nicht um eine Förderung des Verkaufs, sondern mehr um Erleichterungen bei der Anknüpfung mit einem Verleger wegen einer holländischen Übersetzung. Eine spanische Ubertragung ist im Manuskript schon fertig, die franzözischen Rechte hat Plon, die amerikanischen Little Brown erworben, auch bestehen Anknüpfungen mit Mondadori in Mailand. Lou Lichtveld, den ich letztes Jahr mit K. zusammenbrachte, zeigte Interesse für die holländische Ausgabe; hat aber auf einen späteren Brief, dem ich dummerweise eine ebenso ausführliche wie abfällige Kritik von Orkaan bij Nacht beifügte, nicht mehr geantwortet. Könnten Sie mir aber einige Tips geben wegen einer holl. Ausgabe der Memoirenfolge? Leider weiss Kessler nicht mehr, wo sein Rathenaubuch holländisch erschienen ist, vielleicht hätte dieser verlag Interesse, die Aufzeichnungen auch zu bringen. Oder denken Sie, dass die interessierten Kreise das Buch gleich im Deutschen oder Französischen lesen?

K. ist ein sehr kluger alter Herr, der verdammt viel mitgemacht hat und gescheit zu erzählen weiss. Mit dem Hause Nietzsche verband ihn persönliche Freundschaft, dem toten Friedrich hat er die Augen geschlossen; dass Frau Förster dem Anführer den Stock des Bruders geschenkt hat, hat ihn schmerzlich berürht! Politisch hält er sich nun ganz neutral, fühlt sich eigentlich nie als ‘Emigrant’ und hat sich ganz in seine Vergangenheit versenkt, aus der er die Gesichter und Zeiten, Völker und Vaterländer wiedererstehen lässt. Erstaunlich, wer diesem Menschen alles in den Lebensweg gelaufen ist; ich glaube, ausser Dirk Coster die ganze Welt. Kennen Sie die Ausgaben seiner Cranach-Presse?

Nicht wahr, im Fall des Falles geben Sie das Buch nicht Hübner, dann bliebe es besser unbesprochen.

In den nächsten Tagen kommen die Herren Döblin, Bruckner und Asch.- Ich bereite nun eine Übertragung aus dem Portugiesischen vor, von der ich mir einiges Aufsehen verspreche. Und sonst geht alles gut.

Immer Ihr

A. Vigoleis Thelen

 

Origineel: Den Haag, Letterkundig Museum

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