Klaus Mann
aan
Menno ter Braak

24 mei 1935

z.Zt. Cannes

den 24.5.35

 

Lieber Herr Menno ter Braak -

sehr vielen Dank. Wenn im Querido-Verlag der Wunsch der Vater des Gedankes war, als man Ihren Namen auf den Prospekt setzte - der also mehr ein Wunschzettel des Verlages, als eine solide Vorankündigung wurde - , so ist es reizend von Ihnen, uns diesen Wunsch jetzt zu erfüllen. Ich habe Ihr ‘Nietzsche contra Freud’ sofort und mit einer wirklichen Gespanntheit gelesen. Ich hätte Ihnen noch umgehender geschrieben wenn ich nicht unterwegs gewesen wäre; aber ich musste ja die Angelegenheit der deutschen Emigration vor dem P.E.N.-Club in Barcelona vertreten. Seit heute morgen bin ich zurück von diesem anstrengenden Ausflug, und ich beeile mich, Ihnen für eine Lektüre zu danken, die mir die Zeit zwischen Narbonne und Port Bou kurz werden liess - was etwas bedeutet.

Ueber Ihre Nietzsche-Betrachtung hätte ich viel zu sagen, was den Rahmen eines Briefes sprengen würde. Um es nur anzudeuten: es scheint mir, dass Sie Nietzsche oft noch wörtlich nehmen. An einer sehr geistvollen und treffenden Stelle sagen sie selbst, dass bei ihm der Stil so viel wichtiger ist, als die Meinungen - die so ungeheuer viel Unheil angerichtet haben. So seine kurzsichtigen und krampfig übertriebenen Meinungen über das Christentum. Seine Behauptung, der skeptische kleine Ausspruch des Herrn Statthalters wiege schwerer als das ganze Testament ist doch nur ein schnödes Aperçu. Gerade dieses völlig unverantwortliche, eigentlich auch hohle Aperçu- das von einem Pariser dritten Ranges sein könnte, oder kaum noch sein könnte - nehmen Sie so verdammt ernst. Darüber erschrecke ich etwas.

Aber darüber müssen wir uns einmal mündlich besprechen. Heute nur etwas Technisches.

Ihr Aufsatz - den ich gerne für die ‘Sammlung’ behalten möchte - ist für die Zeitschrift sehr viel zu lang. Wir bringen kaum jemals Essays, die umfangreicher als 10 Druckseiten sind - und ich möchte es Ihnen nicht zumuten, in dem unschönen und schwer leserlichen Petit-Druck bei uns zu erscheinen. Man wird das Manuskript also um etwa 65 Prozent seines jetzigen Formats kürzen müssen - wobei die Frage bleibt, ob man einfach nur einen Teil daraus abdruckt, oder ob man versucht, seinen ganzen Gedankengang sehr zusammen zu drängen. Beides wird nicht leicht zu bewerkstelligen - Beides wird möglich sein. - Da der Beitrag doch frühestens in der Juli-Nummer erscheinen kann, haben wir noch die Zeit, uns im Haag über den heiklen Fall zu besprechen. Bis dahin wollen wir -denke ich - die endgültige Entscheidung vertragen. Lassen Sie mich nur jetzt schon wissen, wie Sie prinzipiell zu der Frage der Kürzung stehen.

Schreiben Sie mir bitte nach Nice (A.M.), Pavillon Rivoli, rue de Rivoli, - wo ich ab Montag wieder bin. (Ab 1. Juni; Küsnacht bei Zürich, Schiedhaldenstrasse 33.)

Und noch einmal vielen Dank für die Sendung. Der Aufsatz gehört zum Interessantesten, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Auf jeder Seite gibt es Formulierungen, die man nicht mehr vergisst.

Mit den besten Grüssen

Ihr Klaus Mann

 

Origineel: Den Haag, Letterkundig Museum

vorige | volgende in deze correspondentie
vorige | volgende in alle correspondentie