Briefwisseling Menno ter Braak - Konrad Merz (pseudoniem van Kurt Lehmann)
Konrad Merz (Amsterdam)
aan
Menno ter Braak
Amsterdam, 23 mei 1935
Amsterdam, den 23. Mai 1935
Pythagorasstraat 21.
Sehr geehrter Herr Dr. ter Braak,
Angeregt von Ihrem Artikel im Neuen Tage-Buch, habe ich den Mut, Ihnen zu schreiben.
Sie fordern mit allem Recht, die Emigrantenbücher mögen sich ‘wesentlich’ von den vorhitlerischen Gestaltungen unterscheiden. Die recht schwächlichen Entgegnungen haben ebenso wie die bisherigen Veröffentlichungen bewiesen, dass von den altbekannten Namen ein Neues nicht mehr zu erwarten ist.
Was aber sollen wir Jungen tun, die wir keinen Namen haben, weil wir eben nicht alt genug waren! Kein Mensch kennt uns draussen, und niemand öffnet uns die Tür, obwohl doch nur von uns wesentlich Neues erwartet werden könnte.
Ich habe im Neuen Tage-Buch das Tagebuch eines Berliner Studenten veröffentlicht. Von Leopold Schwarzschild wurde ich als eine ‘merkwürdige literarische Kraft’ bezeichnet. Niemand aber sieht sich nun weiter nach so Ungenannten um.
In Holland habe ich als Garten- und Kuhstallknecht schwer gearbeitet und bin nun dabei, das Erlebnis meines Fallens aus Deutschland zu einem Buch zu gestalten.
Kritische Bekannte, denen ich das Unvollendete vorlas, meinen, dieses werde das lang ersehnte Buch der letzten Emigration. Es mag wahr sein, dass hier endlich ein Anderes und Neues entsteht.
Nun aber habe ich, in mancherlei Sinn, den Rat eines Erfahrenen dringend nötig, eines Mannes, dem es allein um Kunst geht und der zugleich Mensch aus meinem Zufluchtsland ist.
Ich habe Vertrauen zu Ihnen und möchte Sie fragen, ob ich vielleicht einmal zu Ihnen kommen dürfte. Ich würde dann das Manuskript mitbringen.
Ich hoffe, Sie mögen sich von diesem Brief nicht belästigt fühlen und grüsse Sie
hochachtungsvoll
Kurt Lehmann
Origineel: Den Haag, Literatuurmuseum