Menno ter Braak
aan
Miriam en Samuel Lewin

Eibergen, 28 december 1934

Eibergen, 28 Dez. 1934

Liebe Frau und lieber Herr Lewin

Ihren Brief habe ich während eines kurzen Ferienaufenthaltes in meinem Geburtsort erhalten; meine Frau ist augenblicklich in Zutphen bei ihrem Vater, und ich bin also Strohwitwer. Ab 1. Jan. sind wir wieder im Haag, dann fängt das Bücherlied wieder vom neuen an. Ich kann heute nur für mich sprechen, weiss aber ganz bestimmt, dass auch meine Frau Ihnen alles Gute in 1935 wünscht. Wenn auch die Polen und Polengenossen diese Welt versauren, es gibt doch immer noch ein paar anständige Leute. Und zufällig findet man einander. Obschon, mit unserer Anständigkeit... Aber das ist wieder ein neues Problem.

Ich war ziemlich abgespannt nach der Sinterklaasgeschichte und brauchte wirklich etwas Erholung. Jetzt kommt Gottseidank fast kein Buch mehr von der Presse; ich freue mich und bin sogar selig durch diesen Rück ins Analphabetische.

Von Kayserlein hörte ich nichts mehr. Jetzt wo ich im Neuen Tagebuch mich identifiziert habe mit den Emigranten wird er übrigens von mir auch wohl nichts mehr wissen wollen; ich habe n.l. einen Aufsatz darin geschrieben über die Emigrantenliteratur, nachdem Schwarzschild mich eingeladen hatte meine Ansichten über den Emigrantenkomplex auch für seine Leser auseinanderzusetzen. Er hat die Sache auch tatsächlich so gedruckt wie ich sie ihm geschickt habe! Das freut mich, denn ich war ziemlich sauer, wenn ich auch in den ersten Sätzen nachdrücklich erklärt habe, ich sei ‘guter Europäer’ und deshalb Emigranten freund. Für dr. Kayserstein muss das wohl eine schreckliche Erfahrung sein! - Ich sprach inzwischen Klaus Mann, der, ich muss es gestehen, sich fabelhaft mir gegenüber benommen hat. Er hat sich nicht an meine Kritik gestossen und sogar teilweise die Fehler seines Buches anerkannt (wenn er natürlich auch schöne Sachen darin findet, die mir leider entgehen).

Das Mysterium Jo Spier hat sich geklärt. Der Mann ist auf einer Indienfahrt und als er Ihren Brief erhielt, war er entweder schon verreist oder im Begriff zu verreisen. Ich muss also vorläufig abwarten. Meine Frau arbeitet noch an die Uebersetzung, die wohl noch in 1934 fertig sein wird.

Vom Regisseur noch nichts! Er hat noch nicht geantwortet und ich habe ihn persönlich nicht mehr gesehen. Ich werde ihm nochmal schreiben.

Selbstverständlich freue ich mich sehr auf die Uebersetzung meines ‘Politicus’; ich zweifle nicht, es wird gut. Nur habe ich die bewusste Grammatik noch nicht auffinden können. - Verabreden wir jedenfalls dass eventuelle ‘ekonomischen’ Vorteile, welche die Uebersetzung bringen könnte, Ihnen zugehen. Ich habe schon meine Freude an den Text.

Schreiben Sie uns bitte wenn Ihnen der Boden ev. zu heiss wird, ich meine wenn Sie, was ich nicht hoffen will, überhaupt keine Mittel haben möchten. Das Geld vom ‘Vaderland’ könnte ja teilweise auch nach Polen rollen, enfin, Sie verstehen mich.

Was Sie über die polnischen Museen schreiben, erfüllt mich mit Grauen, kaltem Grauen!

Hoffentlich hören wir bald wieder von Ihnen!

mit herzlichem Gruss

Ihr Menno ter Braak

Fotokopie: Den Haag, Letterkundig Museum

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