Albert Vigoleis Thelen
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Menno ter Braak

Palma de Mallorca, 1 oktober 1932

Palma de Mallorca, 1. Oktober 1932

Apartado 112

 

Lieber Herr Doktor,

haben Sie vielen Dank für Ihren Brief vom 25.Sept., den ich gestern erhielt. - Mein Brief vom 21.August scheint verloren gegangen zu sein - kein Wunder bei diesem gottsträflichen spanischen Schlamassel. Na, wichtiges stand nicht drin, wohl die genaue Anschrift - die wir inzwischen übrigens bereits vier mal gewechselt haben - und einiges über den Karneval der Palmesaner. Am 23.September schrieb ich Ihnen eine Karte, haben Sie die schon erhalten? Soviel ich weiss, herrscht im Augenblick kein Poststreik in Barcelona, also besteht die Möglichkeit, dass die Karte Sie erreicht. Übrigens besitze ich jetzt ein Schliesfach, die einzige Möglichkeit, Post, die sich bis zur Insel vorgewagt hat, zu bekommen. Denn eine glatte Nummer kann auch der grösste spanische Postochse noch lesen. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn Sie in Zukunft die Adresse mit der Maschine schrieben. Denn die hiesigen Postleute sing paläographisch nicht geschult, und da die Schliessfächer auf der Bedienungsseite neben der Nummer noch den Namen des Inhabers tragen, können trotz allem noch Irrtümer entstehen. Hoffentlich werden diese ganz unglaublichen Übelstände unter der neuen Regime abgeändert. Aber das wird noch solange dauern, bis eine neue Generation herangereift ist, die lesen und schreiben kann ...

Cassirer: Hat der Verlag Ihnen den Eingang des Manuskr. bestätigt? Falls nicht, können Sie ruhig sofort reklamieren und bitten, sich für das Buch in einigen Tagen zu entscheiden. Bemerken Sie dann vielleicht hinzu, dass das Werk in Holland bereits ausverkauft ist. Durchschnittlich brauchen die Verlager drei bis vier Wochen für die Prüfung, die meisten Häuser bestätigen die Manuskr. und geben die Dauer der Prüfzeit an. Wenn Sie es wieder verschicken, bitten Sie dann sogleich um Bestätigung. - Soll ich Ihnen meinen Durchschlag noch zur Verfügung stellen? Er ist zwar wenig geeignet für die Herren Lektoren, da die vielen Korrekturen und Striche sehr beim lesen stören.

Es freut mich sehr, dass Het Carnaval schon vergriffen ist. Ich gratuliere! Gerne will ich Ihnen baldigst ein Verzeichnis der Druckfehler machen, die ich gefunden habe, ich glaube, es sind etwa 10. -

Abgesehen von vielen kleinen spanischen Unerträglichkeiten geht es uns ganz gut. Wir haben zwar eine ganz unvorhergesehene und ziemlich üble Sache hier erlebt, die uns sozusagen ausgelöscht hätte. Später werde ich Ihnen die Sache mal erzählen, sie ist garnicht uninteressant, zum wenigstens hat sie unsere psychologische Einsicht in viele Verborgenheiten des menschlichen Daseins bereichert. - Bezüglich der Republik muss es richtig heissen: Republik der Faulenzer. Denn der edle Spanier ist nicht zum arbeiten geboren. Kirche und Lotterbett sind die beiden grossen Pole, zwischen denen das im Grunde beneidenswerte Leben dieser Menschen hin und her pendelt. Und das ganze Dasein ist mit Wanzen und Filzläusen bespickt, und waschen tun die Schweine sich auch nicht. Aber die Stiefel werden alle halbe Stunden gewichst, ich habe noch keinen Caballero mit staubigen Schuhen gesehen. -

Na, hoffentlich kommt dieser Brief sicher über die Grenze, dann ist alle Gefahr überstanden.

Meine Freundin lässt Ihre Grüsse bestens erwidern. Auch ihr kommt alles sehr spanisch hiervor. - Mit besten Grüssen und einem leise gemurmelten Fluch auf die Südländische Sauwirtschaft.

Immer der Ihre

A. Vigoleis Thelen

 

Origineel: Den Haag, Letterkundig Museum

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